Coronavirus und Arbeitsrecht

I.

a) Gilt bei einer Coronavirus-Erkrankung der übliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung?

b) Wie verhält es sich, wenn lediglich der Verdacht auf eine Ansteckung vorliegt?

c) Besteht während der Quarantäne eine Arbeitspflicht?

d) Kann der Arbeitgeber einen Vorschuss auf die Entgeltzahlungen verlangen und welche Fristen sind zu beachten?

 

II.

a) Welche Rechte und Pflichten hat der Arbeitgeber?

b) Kann der Arbeitgeber Arbeitnehmer bei abstrakten oder konkreten Verdacht der Infektion freistellen?

c) Darf der Arbeitgeber Dienstreisen in Krisengebiete anordnen?

d) Kann ich mich als Arbeitnehmer bei Verdacht der Infektion telefonisch krankmelden?

 

III.

Können Arbeitgeber aufgrund von Corona Kurzarbeitergeld beantragen?

 

I.

a) Ist der Arbeitnehmer am Corona-Virus erkrankt, hat er gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) wie jeder Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Erkrankungen für die Dauer von sechs Wochen. Teilweise sind diese Fristen arbeits- oder tarifvertraglich länger. Freie Mitarbeiter haben diesen Anspruch mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht.

Der Ablauf ist ein anderer, wenn gegen den am Corona-Virus erkrankten Arbeitnehmer zugleich nach § 31 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein berufliches Tätigkeitsverbot angeordnet worden ist. Dann konkurriert der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers infolge des Tätigkeitsverbotes nach § 56 Abs. 1 IfSG. Danach wird derjenige, wer als Ausscheider einer Infektion, als Ansteckungsverdächtiger, als Krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne des § 31 Satz 2 IfSG einem Verbot der Ausübung seiner Arbeitstätigkeit unterliegt, vom Staat in Höhe seines Verdienstausfalls für die Dauer von sechs Wochen entschädigt (so in § 56 Abs. 2 und Abs. 3 IfSG geregelt).

Dabei tritt der Arbeitgeber in Vorleistung, ist also quasi „Auszahlstelle“ für den Staat (§ 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG). Die ausgezahlten Beträge werden vom Arbeitgeber auf Antrag bei der zuständigen Behörde erstattet (§ 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG); im Saarland ist dies das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Franz-Josef-Röderstraße 23, 66119 Saarbrücken.

Die Erstattung erfolgt aber nur auf Antrag des Arbeitgebers. Dieser kann unter dem nachfolgenden Link heruntergeladen werden:

https://www.saarland.de/dokumente/res_soziales/Antragsformular_nach_Paragraph_56_FORM-10022017.pdf .

Das Ministerium hat ein Merkblatt zur Erstattung für die Zahlung von Verdienstausfallentschädigungen bzw. Erstattung an den Arbeitgeber nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) herausgegeben.

Dieses kann unter dem nachfolgenden Link heruntergeladen werden:

https://www.saarland.de/dokumente/res_soziales/Merkblatt_zu_Paragraph_56.pdf

Ist der Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Pflicht nicht in Vorleistung getreten, kann auch der Arbeitnehmer diesen Antrag stellen (§ 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG).

b) Besteht lediglich der Verdacht auf eine Ansteckung, besteht auch hier ein Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG, wenn ein behördliches Beschäftigungsverbot nach § 31 IfSG angeordnet worden ist. Das Tätigkeitsverbot kann sich auf einzelne Arbeitnehmer oder behördlich definierte Gruppen beziehen.

Kausal für die Arbeitsverhinderung ist dann nicht die vermutete Krankheit als solche, sondern das Beschäftigungsverbot. Damit besteht dann kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, da häufig keine Krankheit, sondern nur ein Verdachtsfall besteht.

c) Die Fälle der Quarantäne (geregelt in § 30 IfSG) sind gleich zu behandeln: Hier wird infolge der Quarantäne ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Dann besteht der Entschädigungsanspruch gem. § 56 IfSG. Erkrankt ist der unter Quarantäne stehende Arbeitnehmer nicht, so dass deshalb kein Anspruch aus Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestehen kann.

d) Der Arbeitgeber kann einen Vorschuss für die Entgeltzahlungen verlangen (§ 56 Abs. 12 IfSG).

Zuschüsse des Arbeitgebers – die er ggf. freiwillig zahlt – sind zugunsten des Staates auf die Entschädigung anzurechnen (§ 56 Abs. 8 Satz 1 IfSG).

Anträge des Arbeitgebers auf Erstattung sind innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit aufgrund Beschäftigungsverbots gem. § 31 IfSG oder dem Ende der „Absonderung“ (mit Absonderung ist die Quarantäne nach § 30 IfSG gemeint) bei der zuständigen Behörde (Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Franz-Josef-Röderstraße 23, 66119 Saarbrücken.) zu stellen.

II.

a) Jeden Arbeitgeber treffen arbeitsrechtliche Schutzpflichten, insbesondere die Pflicht zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer.

Praktische Maßnahmen sind die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln an geeigneten Standorten (Eingang, Toiletten), Hinweise zu deren Benutzung und verstärktes Hinwirken auf die Einhaltung der Hygienestandards.

b) Der Arbeitgeber ist berechtigt, Arbeitnehmer unter den nachfolgend dargestellten Bedingungen bei abstrakten oder konkreten Verdacht der Infektion von der Arbeit freizustellen.

Bei der Freistellung durch den Arbeitgeber behält der Arbeitnehmer den Vergütungsanspruch. Gleichzeitig hat der Arbeitnehmer jedoch einen Beschäftigungsanspruch, so dass er aufgrund unterschiedlicher Beurteilung der Gefährdungslage weiterarbeiten möchte und nicht vom Arbeitsplatz entfernt werden mag.

Arbeitgeber können Arbeitnehmer aus sachlichen Gründen auch ohne vertragliche Vereinbarung im Rahmen der konkreten Gefährdung der Arbeitgeberinteressen zumindest kurzfristig freistellen. Es spricht – vor allem im Hinblick auf die gegenwärtige Unsicherheit – manches dafür, dass Arbeitgeber bei auf Tatsachen gestützten Verdachtsmomenten von einem sachlichen Grund ausgehen dürfen und freistellen können. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn einzelne Krankheitssymptome auftreten oder sich der Arbeitnehmer zuvor in einem Risikogebiet (z.B. China, Iran, Südtirol) oder auch in Risikozonen (z.B. Italien oder Elsaß/Lothringen) aufgehalten haben.

Hat der Arbeitgeber Kenntnis von der Erkrankung, muss er den Mitarbeiter nach Hause schicken. Das gilt schon aufgrund seiner Fürsorgepflicht.

Kehren Arbeitnehmer aus Risikogebieten in den Betrieb zurück, wird man Arbeitgeber trotz der besonderen datenschutzrechtlichen Pflichten bei der Preisgabe personenbezogener Daten der Arbeitnehmer für verpflichtet halten, die anderen Arbeitnehmer darüber zu informieren (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG und § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG im Krankheits- oder Verdachtsfall).

Sinnvollerweise sollten die zurückkehrenden Arbeitnehmer – zumindest von der Rückkehr aus China und Italien – für einige Tage freigestellt werden, ärztlich untersucht werden (Schnelltest), um eine Ansteckung auszuschließen. Da die Zeit bis zum Auftreten der Symptome 14 Tage betragen kann, genügt die Beobachtung in diesen besonderen Situationen nicht.

c) Für Gebiete, für die das Auswärtige Amt eine Reisewarnung herausgegeben hat, gilt, dass der Arbeitnehmer der Anweisung dorthin zu fahren, nicht Folge leisten muss. Eine solche Anweisung dürfte nicht mehr dem billigen Ermessen nach § 106 GewO entsprechen. Es überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seiner Gesundheit.

 

d) Zur Entlastung der Ärzte in der Coronavirus-Krise in Deutschland können sich Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege leichter bis zu sieben Tage krankschreiben lassen. Dafür müssen sie die Arztpraxen nicht aufsuchen: Eine telefonische Rücksprache mit dem Arzt reicht aus. Darauf haben sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung am 10.03.2020 verständigt. Diese Regelung gilt ab sofort für die nächsten vier Wochen.

III.

Liegt Auftrags- und Rohstoffmangel vor, trägt der Arbeitgeber grundsätzlich das Wirtschaftsrisiko.

Die Bundesagentur für Arbeit hat – zuletzt in einer Pressemitteilung vom 28.02.2020 – darauf hingewiesen, dass ein aufgrund oder infolge des Corona-Virus und/oder der damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen eingetretener Arbeitsausfall im Regelfall auf einem „unabwendbaren Ereignis“ oder auf „wirtschaftlichen Gründe“ im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III beruht und daher Kurzarbeitergeld bei vorübergehendem Arbeitsausfall zu gewähren ist (vgl. https://www.arbeitsagentur.de/datei/merkblatt-8a-kurzarbeitergeld_ba015385.pdf ).

Ausdrücklich wird dies konkretisiert für den Fall, dass „staatliche Schutzmaßnahmen dafür sorgen, dass der Betrieb vorübergehend geschlossen wird.“ (Link: https://www.arbeitsagentur.de/news/kurzarbeit-wegen-corona-virus ) Daher kann der Arbeitsausfall mit Hilfe des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes damit grundsätzlich Höhe des Kurzarbeitergeldes kompensiert werden.

Wichtig ist, dass Betriebe und Unternehmen die Kurzarbeit anzeigen und auch entsprechende Anträge stellen. Ohne Antrag kein Kurzarbeitergeld. Die näheren Einzelheiten ergeben sich aus den Hinweisen der Arbeitsagentur für Arbeit, Link: https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/kurzarbeitergeld-uebersicht-kurzarbeitergeldformen und den weiteren Downloads auf der angegebenen Seite.

Arbeitsrechtlich setzt die Kurzarbeit voraus, dass entweder eine entsprechende Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag enthalten ist, Kurzarbeit durch Tarifvertrag ermöglicht wird oder – was der praktisch der häufigste Fall sein wird – über Kurzarbeit eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG abgeschlossen wird.

Denkbar ist auch, dass zunächst Überstundenguthaben abgebaut werden, wobei auch hier die individualrechtliche Anordnungsbefugnis und/oder die Mitbestimmung des Betriebsrats zu beachten ist.

Zumindest nach dem bisherigen Stand besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn das Unternehmen aus freier Entscheidung zur Risikominimierung beschließt, den Betrieb vorübergehend einzustellen. Es liegt keine ursächliche Veranlassung durch Corona vor. Der Arbeitgeber bleibt zur Zahlung der vollen Vergütung verpflichtet, ohne Kurzarbeitergeld nutzen zu können.

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